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Sag mal, wie geht’s eigentlich der Literatur und dem Journalismus?

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Es folgt eine Zusammenfassung zur Lebenslage der schwarzen Lettern auf weißem Grund.

Amazons Kindle

Deutschland streitet sich fortwährend, Europa liegt im klinsch und die Welt ist sich uneins. Zumindest wenn es um das – mehr oder weniger – gedruckte Wort geht.

Es wirkt wie ein Stellungskrieg zwischen ungleichen Mächten. In den Gräben liegen – in den verschiedensten Himmelsrichtungen verteilt – die Verlage, Redaktionen, Autoren, Blogger und das (scheinbare) Ende der Nahrungskette, die Leser. Die Haptiker fluchen über E-Books, die Verleger über die Kostenlosgeneration. Hier lassen sich Journalisten über Blogger aus, dort verlangen die Piraten von der literarischen Autorenschaft sich selbst zu verlegen. Und ganz nebenbei fechtet die Newsbranche, angeführt von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, mit Nachrichten Suchmaschinen wie Google News & Co. Was wiederum erst neulich im frisch aufgewärmten Leistungsschutzrecht gipfelte.

Statista - E-Book Markt

Auf der anderen Seite erfreut sich Amazons Kindle steigender Beliebtheit und der generelle Absatz von E-Books in Deutschland steigt auch stetig. Zudem bieten Internetseiten wie BookRix oder neobooks frisch gebackenen Autoren (meist  s.g. Prosumenten) eine Plattform zum ‘Selfpublishing‘. Nicht zu vergessen, die unzähligen Bachelor- und Diplomarbeiten die vom GRIN-Verlag ‘on demand’ veröffentlicht werden und meine Suchergebnisse auf Amazon infiltrieren. Und erst vor einigen Wochen präsentierte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger stolz, dass die Zeitungsleserschaft wohl doch bereit sei für ein Kombi-Abonnement aus Zeitung und App zu bezahlen.

Haben wir es also mit einem Kampf zwischen zwischen online und offline, zwischen schwarz und weiß zu tun? Im Augenblick scheint es zumindest so. Die Piraten wettern gegen die verkrusteten prä-digitalen Strukturen (was sollen sie auch anderes tun?) und jeder junge Student freut sich selbstverständlich über die Möglichkeit seine Abschlussarbeit ‘on demand’ zu veröffentlichen, um damit vielleicht 17,52 Euro im Jahr zu verdienen. Und ja, sicherlich verändern die Digitalisierung und das Internet die Buch- und Nachrichtenlandschaft. Es wäre töricht anzunehmen, dass derartige Technologien an Kultur- und Informationsgütern einfach so vorbeiziehen, wo sie doch eben auf diesen fußen. Stellt sich aber immer noch die Frage: Wie geht es denn der Literatur und dem Journalismus dieser Tage?

Statista - Mediennutzung der Jugendlichen

Den Zustand der Literatur(industrie) würde ich wohl am ehesten als ‘laufend’ bezeichnen. Die Besucherzahlen der Leipziger Buchmesse steigen gemächlich, der Anteil der Jungendlichen die täglich oder mehrmals wöchentlich Bücher lesen hat letztes Jahr auch ein paar Prozentpunkte zugelegt und spätestens seit Harry Potter, Charlotte Roches Feuchtgebiete und Thilo Sarrazins literarischen Ergüssen ist ‘lesen’ auch wieder modern. Dennoch beschweren sich Verleger, Autoren und Buchhändler ständig über ihre aktuelle Lage. Erst neulich habe ich einem Vortrag von Renate Stefan gelauscht, in dem sie über die geringe Gewinnschwelle der kleinen und mittelgroßen Verlage berichtete. Wobei wohl besonders die Digitalisierung am Stuhlbein der Tradition des Verlagswesens zu sägen scheint.

Denn neben der traditionellen Buchbranche schwelt auch noch ein kleiner digitale Bruder vor sich hin und wartet nur darauf in ein loderndes Contentinferno auszubrechen. Bereits jetzt finden sich auf E-Stories tausende Kurzgeschichten und Gedichte von Amateuren (im Sinne von nicht-hauptberuflich) und mit seinem Twitter-Projekt Tiny Tales zeigt Florian Meimberg, dass sich auch mit 140 Zeichen eine Geschichte erzählen lässt. Und auch im Hause Suhrkamp wird mit der Edition Suhrkamp Digital auf die schnelllebigen Zeiten des ‘Digitalismus’ reagiert, indem die Bücher dünner, dafür aber aktueller werden.

BVDZ - Online Nachrichten

Dieser neue Wind weht aber nicht nur auf dem Buchmarkt und bringt so manche Schachfiguren ins wanken. Nein, auch im Journalismus hat sich einiges verändert. Aktuelles Paradebeispiel für den Streit zwischen On- und Offlinern ist der Fall des Spiegels. Wie seit kurzem bekannt ist, haben sich in der Redaktion des Blattes ebenfalls Fronten gebildet, die nicht die gleichen Einstellungen zum Magazin und besonders zum Webangebot teilen. Es droht die eigene Kannibalisierung.

Weiterhin liest und hört man häufig davon, dass Blogger zu Unrecht den Titel eines Journalisten für sich beanspruchen und, dass die Qualität des Journalismus durch die Redundanz der Onlineinhalte leide, da immer häufiger die Artikel der Blogger zitiert und ihre Tweets favorisiert werden, anstatt die der Nachrichtenredaktionen. Dennoch zeigen Internetseiten wie netzpolitik.orgspreeblick.com oder bildblog.de, dass auch Blogs investigativ, informierend und bildend sein können. Dass es nicht so schwierig ist einen Konsens in der Welt des Informationsflusses zu finden zeigen wiederum Redakteure wie Kai Biermann, Holger Schmidt, Johannes Kuhn, Richard Gutjahr oder Katharina Borchert. Sie bringen beides unter einen Hut, den Journalisten und den Blogger.

Wie geht es aber weiter im Gefecht um Wort und Schrift? Verhärten sich die Fronten, oder hisst doch noch eine der beteiligten Parteien die weiße Flagge? Eine Frage die jetzt vielleicht noch nicht geklärt werden kann. Was aber sicher zu sein scheint, ist folgendes:

Verleger werden weiterhin gebraucht. Denn wie es Volker Strübing schon in seinem Blogartikel ‘Liebe Piraten: Fickt euch. Aber nicht mich.‘ angemerkt hat, wird es weiterhin Autoren geben, die weder verlegen können, noch wollen und daher auf die Kompetenzen von (Ver)Mittlern angewiesen sind. Weiterhin zeigen Amazon und Apple, dass sich mit digitalen Werken sehr wohl auch Geld verdienen lässt, sofern die passenden Endgeräte vorhanden sind.

In der Welt des Journalismus sieht es vielleicht etwas düsterer aus, aber auch nicht hoffnungslos. Zwar haben sich die Verleger mit der Forderung nach dem Leistungsschutzrecht zum Teil ins eigene Knie geschossen, da Dienste wie Google News, die zuvor als Aggregator für die Online-Angebote der großen Zeitungen und Zeitschriften fungierten, nun zu zahlen haben, aber das findige Internet wird schon einen Weg finden dem zu entgegnen. Und auch für die Finanzierungssorgen finden sich Ansätze. Denn Modelle wie Flattr zeigen, dass sich mit flotter Schreibe und guten Themen weiterhin Geld verdienen lässt (auch wenn dies nur für einen gewissen Anteil ‘journalistischer’ Angebote zutrifft). Ähnliches zeigt auch die New York Times, die mit ihrer Form der Bezahlschranke Erfolg hat (auch wenn dieses Modell nicht für jede Zeitung geeignet und besonders in Deutschland schwierig umzusetzen ist).

Entscheidend scheint es jedoch zu sein, dass alle Beteiligten Rücksicht auf das zuvor angesprochene ‘Ende der Nahrungskette’ nehmen – den Leser. Denn sonst könnte die aufgeklärte Leserschaft den Spieß endgültig herumdrehen und fortwährend piratisieren, oder besser noch, noch mehr eigenproduzierte Angebote schaffen, um nicht mehr auf den traditionellen Medienapparat angewiesen zu sein.

In diesem Sinne,

Euer und Ihr Timm Jelitschek // creatimm

[Note: Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer (halbwegs) regelmäßig erscheinenden Kolumne Namens #wiegehteseigentlich, in der ich mich mit der aktuellen Situation diverser Branchen, Personen, Technologien oder Medien auseinandersetze.]

[Grafik-Quellen: Statista und Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V.]

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